Meine Begegnungen in der Ukraine - Udo Bullmann: „Diese Reise hat mir die Augen geöffnet für die Kraft und den Mut des ukrainischen Volkes.“

Fast zwei Jahre sind seit dem Überfall Russlands auf die 

Ukraine vergangen. Die Betrof-fenheit war groß, die Hilfsbereitschaft auch. Seit der Eskalation im Nahen Osten droht die Lage in der Ukraine allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund zu rücken. Umso wichtiger war unser Besuch Ende Oktober in Tschernihiw und Kiew.

 

Als Europaabgeordneter und Vorsitzender des Unterausschus­ses für Menschenrechte im Euro­päischen Parlament war meine Delegationsreise in die Ukraine mehr als nur ein Besuch. Sie war eine Erfahrung, die meine Sicht auf die Rolle der Europäischen Union in der Weltnachhaltig be­eindruckt hat.

In Tschernihiw, einer Region, die zu Beginn des Krieges unter russischer Besatzung stand, traf ich Menschen, deren Schicksa­le mich tief bewegten. Die Ge­schichten der Einheimischen, von Tragödien wie der dreier Brüder, von denen nur einer das Erschießungskommando über­lebte, indem er sich als schwer Verletzter den Weg aus dem eigenen Grab freischaufelte, bis hin zu einem Dorf, das wochen­

lang in einem Schulkeller ein­gesperrt waren, ließen mich er­schaudern. Mich beeindruckte die Entschlossenheit der Ukrai­nerinnen und Ukrainer, ihr Land trotz des Leides wieder aufzu­bauen. Diese Ereignisse unter­streichen die Dringlichkeit unse­rer humanitären und militäri­schen Unterstützung. 

 

Die Ukrainerinnen und Uk­rainer zahlen einen hohen Preis für unsere gemeinsame Zukunft, und wir dürfen ihre Opfer und ihren Mut nicht vergessen. Die Herausforderungen, vor denen die Ukraine steht, sind gewaltig. Viele Menschen sind traumati­siert und die Wunden des Krie­ges sind tief. Es wird den Aufbau eines starken Sozialstaats brau­chen, um diese Gesellschaft zu­sammenzuhalten. Die Zerstörungen und das Leid der Sol­daten an der Front dürfen nicht in Vergessenheit geraten, wenn das Land wieder auf dem Weg zu wirtschaftlichem Wohlstand ist.

 

­Die Unterstützung der Euro­päischen Union ist unerlässlich. Im diesjährigen Erweiterungs­paket empfiehlt die Kommission dem Rat, also den 27 EU­Mit­gliedstaaten, die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Mol­dau. Dies ist kein Geschenk, son­dern eine Anerkennung der Fort­schritte, die die Ukraine in den letzten Jahren gemacht hat. 

 

Die Erneuerung der Staatlich­keit in der Ukraine, auch im fö­deralen Sinne, ist ein Zeichen der Hoffnung. Diese Reise hat mir die Augen geöffnet für die Kraft und den Mut des ukraini­schen Volkes. 

 

Sie hat mich inspiriert und mir gezeigt, dass der europäi­sche Traum lebendig ist und in den Herzen und Taten der Men­schen weiterlebt, die für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen. Es ist unsere Pflicht und unser Pri­vileg, diesen Traum zu unterstüt­zen und zu einem starken und geeinten Europa beizutragen, in dem Menschenrechte und De­mokratie an erster Stelle stehen.