Der städtebauliche Umbau des Quartiers um die Bahnhofstraße nimmt langsam sichtbare Konturen an.
Die Volkshochschule ist in die Bahnhofstraße umgezogen, die Stadtbibliothek am neuen Standort fest etabliert, die ersten Wohnungen in den sog. Kranhäusern am Lahnufer sind bezogen, eine Gastronomie wurde dort kürzlich eröffnet. Des Weiteren hat in mehreren Mitteilungsvorlagen der Magistrat die Stadtverordnetenversammlung über den Stand der Planung und Umsetzung zur Aufwertung des Lahnufers zwischen der Taubensteinbrücke und dem Freibad Domblick informiert.
In einer kleinen Artikelserie in den nächsten Ausgaben der Wetzlarer Nachrichten möchten wir über den Stadtumbauprozess im Bahnhofsquartier und am Lahnufer berichten und einen Ausblick auf die noch ausstehenden Planungen und Maßnahmen geben. Zunächst möchten wir an die Ausgangssituation Anfang der 2010er Jahre erinnern. Auftakt für den Stadtentwicklungsprozess in der Innenstadt bildet das Innenstadtentwicklungskonzept (ISEK), das die Stadtverordnetenversammlung im November 2012 beschlossen hat. Für die künftige Stadtentwicklung der Wetzlarer Innenstadt wurden im ISEK folgende Leitlinien benannt:
- Wir setzen auf Optik, Bildung und Technologie
- Wir leben an Lahn und Dill
- Wir fühlen uns wohl in vitalen Stadtquartieren (ISEK 2012, Seite 50)
Eine wichtige Erkenntnis im ISEK war, dass insbesondere in den Bereichen um die Bahnhofstraße und dem Karl-Kellner-Ring städtebauliche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um einer Fortschreitung des Leerstandes im Einzelhandelsbereich und im Gewerbe entgegenzuwirken. Zur damaligen Zeit verzeichnete das Bahnhofs-Quartier einen hohen Leerstand. Es standen damals das Kaufhaus Mauritius, große Teile des damaligen Einkaufzentrums Lahnhof, Teile des Einkaufszentrums Coloraden (heute Herkules), das ehemalige H&M (heute Stadtbibliothek) sowie das ehemalige Kino Royal leer, um nur die größten leer stehenden Immobilien zu benennen. In den vermieteten Bereichen etablierten sich zunehmend sogenannte Ein-Euro-Shops, Handy-Läden und Sportsbars. Im Rahmenplan Bahnhofstraße wird die damalige Situation in der Bahnhofstraße wie folgt beschrieben:
„Eine der am markantesten auftretenden Nutzungsformen ist allerdings der Leerstand, der sich durch das gesamte Gebiet zieht und viele Gebäude und Straßen betrifft. Dieser Leerstand sorgt für eine unangenehme Atmosphäre und wirkt störend. Durch den Leerstand fehlen weiterhin belebende Elemente, die Kunden in die Bahnhofstraße ziehen und diese so lebendig und attraktiv werden lassen“ (Rahmenplan Bahnhofstraße, Seite 51).
Diesem sogenannten „Trading-Down-Effekt“ wollte man durch das Stadtumbauprogramm entgegenwirken. Im Jahr 2014 folgte dann eine hohe Zahl an Beteiligungsprozessen, wie Bürgerworkshops, Zuhörbegehungen, Austausch mit Eigentümern, Händlern oder Verbandsvertretern sowie dem Jugendforum. Am 15. Dezember 2015 schließlich wurde der Rahmenplan Bahnhofstraße von der Stadtverordnetenversammlung als Handlungsgrundlage beschlossen. Er diente auch als Grundlage für die Aufnahme der Quartiere um die Bahnhofstraße, dem Karl-Kellner-Ring und die Langgasse in das Städtebauförderprogramm Stadtumbau West. Im Oktober 2016 wurde schließlich das Gebiet durch einen entsprechenden Bescheid in das Städtebauförderprogramm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ aufgenommen.
Was ist seitdem im quartier passiert und wurde bereits umgesetzt?
- Umzug der Stadtbibliothek mit Artothek in die Bahnhofstraße 6 (ehemaliges H&M) als heute
- eine der modernsten Stadtbibliotheken in Hessen
- Umzug der Volkshochschule aus der Spilburg in die Bahnhofstraße 3
- Abriss des ehemaligen Kaufhauses Mauritius und Neubau des Modus 3.0 mit über 70 Wohnungen
- Abriss des Lahnhofes und Neubau der drei Häuser „Lahngärten“ mit Parkhaus und 86 Wohnungen
- Neubau des Seniorenpflegeheims mit Seniorenzentrum Haus Königsberg am Lahnufer
- Neubau der Wohnanlagen an der Inselstraße gegenüber dem Bootshaus
- Revitalisierung der Coloraden und Umbenennung in Herkules-Center sowie
- Beginn der Umbaumaßnahmen des Freibades Domblick zu einem nachhaltigen und attraktiven Naturschwimmbad.
Sicherlich sind noch Missstände und Mängel in der Bahnhofstraße zu erkennen. So befindet sich unter anderem im Erdgeschoss des Modus 3.0 ein großer Leerstand, auch ist die gastronomische Landschaft noch sehr stark auf Fast Food und Sportbars ausgerichtet und in den Dienstleistungsangeboten dominieren Friseure und Barbershops. Im Modus 3.0 wird es wichtig sein, ein gehobenes Angebot mit hoher Kundenfrequenz zu finden, damit sich insgesamt die Einzelhandels- und Gastronomiestruktur zu mehr Vielfalt und gehobenen Qualitätsangeboten wandeln kann. Insgesamt muss doch festgestellt werden, dass großer Leerstand in diesem Bereich nicht mehr so vorzufinden ist wie noch vor 10 Jahren, als der Stadtumbauprozess begann. Bei höherer Vermietung lohnen sich auch wieder Investitionen in die Immobilien, der Negativtrend endet so in einer Aufwärtsspirale. Eines wurde bereits erreicht: die Zahl der Wohnbevölkerung im Bahnhofsquartier hat sich in den 10 Jahren von 2013 bis heute von 549 auf 786 Einwohner deutlich erhöht. Und mit der neuen Wohnbevölkerung wächst auch die Kaufkraft und damit die Nachfrage nach einer breiten Versorgung und vielfältiger Gastronomie und Dienstleistungen in dem Quartier.
In der nächsten Ausgabe der Wetzlarer Nachrichten beschäftigen wir uns mit dem KIWA – Konzept zur Integration der Wasserläufe und den Planungen zur Aufwertung des Lahnufers zwischen der Taubensteinbrücke und dem Freibad Domblick.