Es zielt darauf ab, Menschen langfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihre Lebenssituation nachhaltig zu verbessern
Die Diskussion rund um das Bürgergeld hat in den letzten Monaten an Intensität gewonnen. Während Union, AfD und FDP munter weiter Schreckgespenster mit Behauptungen an die Wand malen, die von vielen Faktenchecks schon lange widerlegt sind, geht anderen die Reform von Hartz IV zum Bürgergeld nicht weit genug. Es ist an der Zeit, die ideologisch geführten Debatten endlich zu beenden. Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf die Fakten werfen.
Von Hartz IV zur neuen Grundsicherung
Das Bürgergeld hat die Nachfolge des bekannten Hartz-IV-Systems angetreten. Die Reform war notwendig, weil sich der Arbeitsmarkt in den letzten zwei Jahrzehnten massiv gewandelt hat. Wo früher Massenarbeitslosigkeit war, herrscht heute Fachkräftemangel. Genau da setzen wir mit dem Bürgergeld an; es geht darum, die Menschen für gute Jobs zu qualifizieren. Das gestaltet sich nicht immer einfach, denn 25 Prozent der Bürgergeldberechtigten haben keinen Schulabschluss, 75 Prozent keinen verwertbaren Berufsabschluss, über die Hälfte hat gesundheitliche Probleme, überproportional viele sind Alleinerziehende ohne passende Betreuungsangebote. Das sind die sogenannten Vermittlungshemmnisse, die wir abbauen müssen, damit keine kurzzeitige schlechte, sondern eine langfristige gute Arbeit gefunden werden kann. Scheinbar einfache Antworten, wie sie gerne aus der Opposition oder von der FDP zu hören sind, helfen hier nicht weiter.
Vertrauen und Qualifizierung: Zwei Säulen des Bürgergelds
Die Jobcenter spielen eine zentrale Rolle im Bürgergeld-System. Hier setzt man auf Vertrauen und eine enge Zusammenarbeit mit den Bürgergeld-Empfänger:innen. Ziel ist es, Potenziale zu entdecken, Ängste zu nehmen und Chancen zu eröffnen. Der Grundsatz „Ausbildung vor Aushilfsjob“ soll dabei helfen, Drehtüreffekte zu vermeiden. Diese Effekte bezeichnen das Phänomen, wenn Menschen nur kurzfristig in unqualifizierte Arbeiten vermittelt werden, um dann doch wieder im Leistungsbezug zu landen – eine für die Arbeitnehmenden frustrierende und wenig nachhaltige Entwicklung und für Viele Alltag im Hartz-IV-System.
Das Bürgergeld hebt sich genau durch diesen nachhaltigen, langfristig gedachten Ansatz von seinem Vorgänger Hartz IV ab. Es geht nicht nur darum, Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu holen, sondern sie dauerhaft wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Kosten und Nutzen: Was darf uns der Sozialstaat kosten?
Ein immer wiederkehrender Kritikpunkt am Bürgergeld ist dessen angebliche Kostenintensität. Es war richtig, den Mechanismus der Regelsatzanpassung so zu verändern, dass schneller auf die sehr hohe Inflation reagiert werden konnte. Das hat damals übrigens auch die Union gefordert und der Anpassung dann auch richtigerweise zugestimmt. Das hatte sie ein halbes Jahr später dann leider schon wieder vergessen.
Um langfristig Geld zu sparen, sind nachhaltige Vermittlungen in Arbeit notwendig. Diesen Weg gehen wir mit dem Bürgergeld. So hilft es ganz konkret gegen den Fachkräftemangel und entlastet die Staatskasse langfristig. Wer immer noch glaubt, dass mehr Druck und stärkere Sanktionen die Lösung sind, ignoriert sämtliche Erfahrungen und Debatten der vergangenen Jahrzehnte. Es ist der immer gleiche und leicht durchschaubare Zaubertrick, den Union und Konsorten hier aufführen: Diejenigen, die zu wenig Geld haben, gegen diejenigen auszuspielen, die so gerade eben genug Geld haben, um über die Runden zu kommen. Dabei ist der Mindestlohn seit der Einführung 2015 stärker angestiegen als der Regelsatz.
Sind es nicht die Bürgergeldempfänger, dann sind es die Asylbewerber, auf die nach unten getreten wird. Man kann nicht immer lauter danach rufen, dass Geflüchtete doch gefälligst arbeiten sollen und ihnen andererseits den Weg in die Arbeitsvermittlung durch die Jobcenter versperren. Dieser Weg ist das Bürgergeld und damit die Betreuung durch die Jobcenter. Wir sorgen stattdessen mit dem JobTurbo dafür, dass Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen und bei uns Zuflucht suchen, schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Diese Neiddiskussion lenkt dann vor allem davon ab, dass wir nicht darüber sprechen, wie wir eigentlich sehr hohe Einkommen und Vermögen stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen können.
Die wirklichen Totalverweigerer im Bürgergeld sind wenige tausend Menschen. Die Fakten sprechen eine klare Sprache. Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 in einem Urteil sehr deutlich gemacht, dass die komplette Streichung von Leistungen, die ja auch direkt in die Obdachlosigkeit führen können, verfassungswidrig sind. Auch ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe ist verfassungsrechtlich geboten. Das Existenzminimum muss gesichert sein. Die Rechtsprechung ist sehr klar: Der Staat darf Menschen nicht dauerhaft auf null runtersanktionieren und die Höhe des Bürgergeldes nicht beliebig festlegen.
Anpassungen und Nachsteuern: Ein notwendiger Prozess
Bei einer so umfassenden Reform wie der des Bürgergelds war von Anfang an klar, dass es Nachsteuerungsbedarf geben würde. So wurden im Wachstumspaket Maßnahmen beschlossen, die das Bürgergeld noch treffsicherer machen sollen. Dazu zählen unter anderem die intensivere Bekämpfung von Schwarzarbeit und geregelte Sanktionen für Personen, die ohne triftigen Grund Arbeit oder Maßnahmen ablehnen oder Termine nicht wahrnehmen.
Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die Unterstützung auf diejenigen konzentriert wird, die sie wirklich benötigen. Sozialstaatliche Leistungen sind keine Einbahnstraße: Von den BürgergeldEmpfänger:innen wird erwartet, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten daran mitarbeiten, aus der Bedürftigkeit herauszufinden und in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Nur wenige wollen das nicht. Die ganz überwiegende Anzahl möchte arbeiten und selber für den eigenen Lebensunterhalt sorgen.
Arbeiten lohnt sich: Die Realität für Bürgergeld-Empfänger
Ein weiteres verbreitetes Vorurteil ist, dass sich Arbeit für Bürgergeld-Empfänger nicht lohnen würde. Tatsächlich arbeiten rund 800.000 Menschen, die Bürgergeld beziehen. Sie müssen ihre geringen Einkommen aufstocken, obwohl sie arbeiten. Fakt ist, dass Menschen, die einer Arbeit nachgehen, immer mehr Geld zur Verfügung haben als jene, die lediglich Bürgergeld beziehen.
Die SPD setzt sich deswegen für höhere Löhne ein, indem die Tarifbindung gestärkt wird. Wenn es aber um die konkreten Verbesserungen für Arbeitnehmer:innen wie den Mindestlohn geht, dann ist die Union auf einmal nicht mehr dabei. Aber auch zusätzliche Leistungen wie Wohngeld und der Kinderzuschlag sorgen dafür, dass insbesondere arbeitende Familien finanziell besser dastehen. Wir haben beides in dieser Legislatur zusammen mit dem Kindergeld deutlich erhöht.
Nicht bei den Ärmsten noch etwas wegnehmen ist gerecht, sondern diejenigen, die arbeiten gerechter und besser entlohnen und unterstützen – dass ist unsere Auffassung von Gerechtigkeit. Für Kinderbetreuung, bessere Schulen und Ausbildung für alle eintreten, wie mit dem Startchancenprogramm, mit dem zehn Jahre lang jährlich eine Milliarde Euro vom Bund direkt an bis zu 4.000 Schulen fließen, mit dem Kita-Qualitätsgesetz, mit dem der Bund den Ländern vier Milliarden für bessere Kitas zur Verfügung stellt und der Ausbildungsgarantie – hier zu investieren, das spart wirklich beim Bürgergeld.
Fazit: Ein zukunftsfähiger Sozialstaat
Das Bürgergeld ist weitaus mehr als nur eine finanzielle Unterstützung. Es ist ein umfassendes System, das darauf abzielt, Menschen langfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihre Lebenssituation nachhaltig zu verbessern. Die Reform löst ab, was alt und ineffizient geworden ist, und bringt Neues, das Vertrauen und Qualifizierung ins Zentrum des Sozialstaats stellt. Kritik mag es immer geben, doch letztlich bleibt die Erkenntnis: Ein Sozialstaat, der seine Bürgerinnen und Bürger nicht nur auffängt, sondern ihnen auch echte Perspektiven bietet, ist ein Sozialstaat der Zukunft.