Generalsekretär Miersch: Soziale Politik steht zur Abstimmung

In einer Zeit der Umbrüche, wie sie es formulierte, begrüßte die Wetzlarer SPD-Fraktionsvorsitzende Sandra Ihne-Köneke gut 120 Gäste im sehr gut gefüllten Saal der Naunheimer Kulturhalle. Unter ihnen waren heimische Vertreter der großen Rettungsorganisationen und des Katastrophenschutzes, wie auch Vertreter aus der Lokal-, Landes- und Bundespolitik, darunter die Bundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt, die Landtagsabgeordnete Cirsten Cunz und Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner sowie die Bürgermeister von Lahnau, Christian Walendsius und von Solms, Frank Inderthal. Sie alle waren gekommen, um den kommissarischen Generalsekretär der SPD, Matthias Miersch, zu hören. Sie wurden nicht enttäuscht.

 

Als Erste Rednerin trat allerdings Dagmar Schmidt ans Mikrofon. Es seien ganz besondere politische Zeiten, „in denen Dinge passieren, die wir nicht erwartet haben“, fasste sie ihre Einschätzung zusammen, bevor sie diese Aussage im Detail erläuterte.

 

 

„Keiner hätte erwartet, dass die USA sich aus der westlichen Wertegemeinschaft verabschieden“, so die Bundestagsabgeordnete in ihrem Statement. Auch den Tabubruch der CDU im Bundestag, um dort gemeinsame Mehrheiten mit der AfD herzustellen, nannte sie.

„Im Übrigen ist die Klimakrise nicht vorbei, auch wenn so getan wird, als wäre da nichts“, so Schmidt.

 

In Bezug auf die Bundestagswahl forderte sie auf, die Gerechtigkeitsfrage zu stellen. „Die Union möchte, dass die Rente sinkt, und dass wir an der Gesundheit sparen.“ Die Rente und das Gesundheitssystem müssten aber verlässlich sein.

 

Mit Matthias Miersch wandte sich dann der Hauptredner des Abends an die Gäste. Der 56-jährige Jurist ist Nachfolger von Kevin Kühnert im Amt des SPD-Generalsekretärs und seit Oktober 2024 im Amt. Bereits vorher war er seit 2017 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag.

 

„Ich bin nicht einfach so nach Wetzlar gekommen“, stellte der Mann aus Hannover zu Beginn seiner Ausführungen klar. „Dagmar Schmidt erfüllt ihre Führungsaufgaben in Berlin zu 150 %. Sie hat es verdient, wieder in den Bundestag einzuziehen“, zollte Miersch der heimischen Bundestagsabgeordneten und ihrem Einsatz Respekt, bevor er in die politischen Inhalte einstieg.

 

Hierbei bot er einen Querschnitt der wichtigsten politischen Themen unserer Zeit und machte sich für die Ziele stark, die viele mit der Sozialdemokratie verbinden: Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit.

 

Gerade junge Menschen betrachteten Demokratie als selbstverständlich, führte Miersch aus. Er vermisse hier die Wertschätzung angesichts mancher historischen Zensur dieser Tage. „Ich bin froh, dass bei uns nicht Elon Musk darüber entscheidet, wer rechtsradikal ist, sondern Behörden und Gerichte“, nahm er Bezug auf die jüngsten Entwicklungen in den USA.

 

In der momentanen Bewertung der deutschen Politik vermisse er den Blick auf das, was in den vergangenen Krisen geleistet worden sei. Die Versorgungssicherheit sei hergestellt worden, Zuschüsse und andere unterstützende Leistungen gewährt worden.

 

In der Zukunft müsse es darauf ankommen, die wichtigen Themen anzupacken. Hierzu zählte er als erstes die Sozialpolitik: „Die überwiegende Mehrzahl der Menschen ist auf einen starken Staat angewiesen. Wir brauchen daher zielgerichtete Reformen, um Pflege und Bildung zu finanzieren. Wir wollen deshalb die 95%, die die wahren Leistungsträger in unserem Land sind entlasten. Es ist die soziale Politik, die am 23. Februar zu Abstimmung steht“, so Miersch.

 

„Wir wollen dafür kämpfen, dass wir keine amerikanischen Verhältnisse bekommen, wo eine gesetzliche Krankenversicherung ein Fremdwort ist“, fügte er hinzu.

 

In der Migrationsfrage forderte Miersch, keinen deutschen Sonderweg zu beschreiten. Hier müsse man aufpassen, das Vertrauen nicht zu verspielen, sondern mit den europäischen Nachbarn die gemeinsam erarbeiteten Lösungen umsetzen. Populismus mit Populismus zu bekämpfen, wie es die CDU im Bundestag getan habe, halte er für falsch. Menschen mit Migrationshintergrund machten sich Sorgen, ob sie noch hier leben können. „Wir wollen keine Gesellschaft, in der Ausgrenzung normal wird“, stellte der Generalsekretär klar.

 

Auch das Thema Klima griff Miersch auf: „Wir können mit dem Planeten nicht verhandeln“, sagte er. Allerdings müsse die ökologische Frage mit der sozialen zusammengedacht werden. Die angemessene Unterstützung der Menschen sei beim Umstieg auf erneuerbare Energien deshalb wesentlich, damit keine Ablehnung entstehe.

 

Bei den Fragen der Besucher ging es dann unter anderem um die Steuerpläne der SPD. Miersch stellte klar, dass er von radikalen Vereinfachungen des Systems, wie es die berühmte Steuererklärung auf dem Bierdeckel à la Merz vorsah, nicht viel halte. Vereinfachung sei zwar gut, aber es gebe Gründe, warum es Freibeträge gebe. Allerdings sollten diese nicht dazu dienen, die Reichen zu entlasten. Einen Spitzensteuersatz solle es ab 90.000 € Jahresverdienst geben, die Reichensteuer ab 250.000 €.

 

Angesprochen auf die Zukunft der Bundeswehr, verwies Miersch auf die gestiegenen Anforderungen durch die russische Bedrohung und das zurückgehende Engagement der USA in Europa. Es sei deshalb an uns, eine Verteidigungsfähigkeit herzustellen. Dies erfordere massive Investitionen. An eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht glaube er nicht, allerdings sollte der Staat alle jungen Menschen erfassen und diesen ein Angebot machen, so Miersch.

 

 

Manfred Wagner bedankte sich bei den Anwesenden für das Kommen zum Jahresempfang. Die gute Resonanz zeige das große Interesse der Stadtgesellschaft am Dialog in diesem Format. In Bezug auf die Bundestagswahl rief er dazu auf, „das Land nicht denen zu überlassen, die meinen, dass das dunkelste Kapitel unserer Geschichte ein Fliegenschiss ist.“