Gute Einzelhandelsangebote müssen eingebettet sein in vielfältige, hochwertige Gastronomie, um ein Einkaufserlebnis zu schaffen
Die Stadtverordnetenversammlung hat auf Initiative der SPD Wetzlar einstimmig die Aufstellung eines Rahmenplanes Altstadt beschlossen. Der Rahmenplan soll die städtebauliche Entwicklung der Altstadt für die nächsten 10 bis 15 Jahre in ein Gesamtkonzept mit einem breitem Bürgerdialog beschreiben.
In einer Artikelserie möchten wir die einzelnen Themenfelder näher betrachten. In der Dezemberausgabe 2021 haben wir uns mit dem Thema Grünflächen und Altstadtgrüngürtel beschäftigt. In der Folge 2 zum Rahmenplan Altstadt beschäftigen wir uns nun mit der Zukunft des Einzelhandels und der Gastronomie in der Altstadt.
Einzelhandel
Der Einzelhandel in den Innenstädten ist nicht erst seit der Corona-Pandemie in der Krise. Jahrzehntelang haben Verbrauchermärkte an den Stadträndern auf der sogenannten Grünen Wiese sowie der zunehmende Online-Handel dazu geführt, dass der Einzelhandel in den Innenstädten zunehmend unter Druck geraten und zurückgedrängt wurde. Die Pandemie wirkt da wie ein zusätzlicher Brandbeschleuniger.
Auch in Wetzlar verspüren wir durch zunehmenden Leerstand in der Innenstadt den Wandel im Einzelhandel. In früheren Geschäftslagen wie Schmiedgasse und Kornmarkt ist der Einzelhandel stark zurückgegangen, weitere Lagen sind gefährdet. Durch den zunehmenden Druck auf den stationären Einzelhandel hat sich dieser in der Altstadt im Laufe der Jahrzehnte zurückentwickelt.
Wo noch vor einigen Jahrzehnten der Einzelhandel in der Altstadt sich noch bis zum Kornmarkt und bis zur Nauborner Straße erstreckte, beschränkt er sich heute überwiegend auf die Fußgängerzone entlang der Lahnstraße, der Krämerstraße und der Silhöfer Straße. Ab dem Schillerplatz und dem Domplatz reißt die Einzelhandelsstruktur ab.
Außerhalb dieser zentralen Achsen sind nur noch wenige Einzelhandelsbetriebe in der Altstadt vorzufinden. In den frei werdenden Flächen konnten dankenswerterweise ergänzende Angebote wie Dienstleistungen, Vertretungen, Handwerk und Gastronomie angesiedelt werden.
Dennoch steht der Einzelhandel in der Innenstadt insbesondere in der Altstadt noch gut da. Im Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Wetzlar wurde dargelegt, dass bei der Bestandsaufnahme in 2016 von den 402 Einzelhandelsbetrieben 60% in den zentralen Versorgungsbereichen der Innenstadt und der Altstadt angesiedelt sind (vgl. Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Wetzlar, Seite 35). Das Einzelhandelskonzept stellte fest, dass insbesondere die Altstadt durch die kleinteiligen, inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte sich großer Beliebtheit bei der Kundschaft erfreut. 73% der befragten Kunden urteilten die Innenstadt von Wetzlar als Einzelhandelsstandort gut bis sehr gut (vgl. Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Wetzlar, Seite 66). Als Grund wurde primär die gute Erreichbarkeit, die Aufenthaltsqualität und die Möglichkeit zum Bummeln und Verweilen genannt. Auf diesen Zahlen darf man sich aber nicht ausruhen, sondern man muss die Stärken noch weiter herausarbeiten und an den Schwächen arbeiten.
Nun ist es zentrale Aufgabe, die vorhandenen Einzelhandelsstrukturen in der Altstadt zu sichern und den Geschäften weitere Unterstützung zu bieten. Dieses muss aus einem Maßnahmenbündel aus kurzfristigen Hilfen während der Pandemie, aber auch aus langfristigen Strategien zur Sicherung des Einzelhandels in der Altstadt bestehen.
Die Stadt Wetzlar hat mit der Aufstellung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts die planungsrechtliche Voraussetzung geschaffen, den Einzelhandel vor weiterer Einzelhandelsentwicklung auf der „grünen Wiese“ zu schützen, indem die Altstadt mit der Innenstadt rund um die Bahnhofstraße und dem Forum zu einem zentralen Versorgungsbereich ausgewiesen wurde.
Einzelhandelsentwicklungen außerhalb dieses zentralen Versorgungsbereiches kann nur noch unter der Maßgabe erfolgen, dass keine negativen Auswirkungen auf die Zentralen Versorgungsbereiche vorliegen.
Des Weiteren wird in der Altstadt ein Leerstandsmanagement betrieben. Mit unbürokratischer Hilfe werden Start Up Unternehmen der Einzelhandelsbranche unterstützt, die sich in der Innenstadt ansiedeln wollen.
Für die Attraktivität einer Altstadt tragen nicht nur die vielen, oftmals inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte bei, auch sind weitere Anziehungspunkte sogenannte Anker, wie es zum einen der Lebensmittelmarkt in der Silhöfer Straße oder der Samstags-Wochenmarkt auf dem Domplatz darstellt. Wir sind überzeugt, dass ein weiterer Anker mit den Domhöfen in der oberen Altstadt geschaffen wird.
Um der Altstadt den Rahmen zu bieten, dass Einkaufen in der Altstadt durch ein breites, hochwertigen und spezialisiertes Warenangebot eingebettet ist mit angenehmer Gastronomie, Kunst- und Kulturangeboten sowie hochwertigen Frei- und Grünflächen zum Ausruhen und Verweilen. Des Weiteren muss die Altstadt für alle Mobilitätsangebote gut erreichbar und durch ein intelligentes Parkraummanagement unterstützt werden. Bestehende und geplante Parkeinrichtungen sind in ein Parkleitsystem hin zu integrieren, die Erreichbarkeit muss auch für andere Verkehrsteilnehmer und Mobilitätseingeschränkte verbessert werden. Zu dem Thema Mobilität in der Altstadt wird in einer der nächsten Ausgaben der Wetzlarer Nachrichten ein eigenes Kapitel erstellt.
Weitere Ideen zur Stärkung des Einzelhandels in der Altstadt sind:
Gastronomie
Wie oben bereits erwähnt muss ein gutes Einzelhandelsangebot eingebettet sein in vielfältige, hochwertige Gastronomie, um das Einkaufen zu einem Erlebnis zu machen. Und hier hat die Wetzlarer Altstadt bereits sehr viel zu bieten: beliebte Biergärten an der Lahn, schöne Gastronomie in der Altstadt mit Außenbewirtung sowie Tagungsmöglichkeiten in der Stadthalle und künftig in den Domhöfen.
Bedarf wird noch gesehen in größeren Sälen für Hochzeiten oder größeren Firmen- oder Familienfeiern sowie Eventgastronomie. Auch wünschen sich die Gastronomen mit Außenflächen eine Möglichkeit, die Saison in den Herbst hinein verlängern zu können. Hierzu werden regensichere Überdachungen wie Kettenmarktschirme oder feste Markisen sowie seitlicher Windschutz benötigt. Hier sollte ein einheitliches Konzept für die Altstadt mit den Gastronomen und der Denkmalpflege erarbeitet werden. Weg von Einzelfallentscheidungen hin zu einem einheitlichen Konzept, was von Gastronomen und der Denkmalpflege einvernehmlich getragen werden muss.
Hier müssen alle Seiten zu Kompromissen für eine attraktive Altstadt bereit sein.
Aber auch Angebote für die Jugend wie eine Strandbar kann die Attraktivität der Altstadt nochmals steigern. Es sollte ein geeigneter Standort entlang der Lahn in den Parkanlagen oder dem neuen Freibad für einen Beach Club gefunden werden, am besten mit Zugang zum Wasser. Ebenso wichtig war der Entschluss, die Alte Lahnbrücke dauerhaft für den Kfz-Verkehr zu Sperren, wichtig für die Entwicklung der Gastronomie am Eingang zur Altstadt. Wünschenswert wäre ein gastronomisches Gegenstück auf der anderen Brückenkopfseite oberhalb der Hospitalkirche. Der Platz dafür wäre vorhanden.
Innenstadtentwicklung, die bewusst auf eine Nutzungsvielfalt setzt, hat sich als am krisenfestesten erwiesen, indem Leerstände in einzelnen Bereichen durch andere Nutzungen aufgefangen werden können. Nutzungsvielfalt beugt einer Verödung der Innenstädte vor.
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