Wie den vorangegangenen Beiträgen der Wetzlarer Nachrichten zum Rahmenplan Altstadt zu entnehmen war, sind die Flächenansprüche und Nutzungskonkurrenzen in der Altstadt sehr hoch.
Die öffentlichen Plätze und Gassen sollen Bewegungsraum darstellen, notwendigen Raum für Wirtschaftsverkehre und Einsatzfahrzeuge bieten und ausreichend Platz für Kommunikation, für Gastronomie, Handel, Kunst, Kultur, Freizeit, Sport und Spiel bieten.
Weiterhin ist die notwendige technische Infrastruktur unterzubringen, es sollen noch Bäume gepflanzt sowie Grünflächen und Abstellmöglichkeiten für die privaten Pkws der Bewohnerinnen und Bewohner dieses Stadtbereiches geschaffen, aber auch Kundinnen und Kunden des Handels und der Gastronomie vorgehalten werden.
Gerade der Platz in der Altstadt ist aber sehr begrenzt und daher kostbar. Es bedarf daher einer intensiven Abwägung, für welche Nutzungsansprüche der Raum vordringlich zur Verfügung gestellt werden soll und welche in den Hintergrund treten können. Eine Aufgabe, die auch mittels des sich in Vorbereitung befindenden Rahmenplans Altstadt zu lösen sein wird.
Die Städte wurden in den vergangenen Jahrtausenden primär für die Bewegung zu Fuß, zu Pferd oder maximal für ein Fuhrwerk geplant. Öffentliche Plätze dienten dem Handel und der Kommunikation. Gerade diese waren die Motoren der Entwicklung moderner Zivilgesellschaften. Denn nur durch eine Kommunikation entsteht ein politischer Diskurs, Grundlage aller demokratischen und sozialen Gesellschaften.
In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurde der öffentliche Raum jedoch einseitig für das Kraftfahrzeug vergeben. Schwächere Verkehrsteilnehmer wie Zufußgehende und Radfahrende wurden auf kleine Restflächen nach einer ausreichenden Bedienung des fahrenden und stehenden Motorisierten Individualverkehrs (MIV) verdrängt.
In den vergangenen Jahrzehnten wurde jedoch erkannt, dass dieser Prozess eine „Einbahnstraße“ ist, denn autogerechte Innenstädte erzeugen noch mehr Individualverkehr in Form von Parksuchverkehr. So hat auch Wetzlar in den 1970er und 1980er Jahren mit der Einrichtung der Fußgängerzone bereits wesentliche Bereiche der Altstadt der Nutzung durch den motorisierten Individualverkehr entzogen. Als jüngste Maßnahme wurde die Sperrung der Alten Lahnbrücke vorgenommen. Hier konnten sich daraufhin neue Nutzungen ansiedeln wie attraktive Außengastronomie.
Städte, die frühzeitig auf eine gerechtere Aufteilung des öffentlichen Raumes für alle Verkehrsteilnehmer setzten, sind heute die Städte mit der höchsten Lebensqualität. Nachhaltige Stadtentwicklungsstrategien zahlen sich langfristig im interkommunalen Wettbewerb um Kunden, Touristen, Handel und Fachkräfte aus. Denn gerade die Innenstädte bieten das, was man unter „Stadt der kurzen Wege“ versteht: alle wichtigen öffentlichen, sozialen und kulturellen Infrastruktureinrichtungen sind auf engstem Raum anzutreffen, dazu eine ausreichende Versorgung mit Ärzten, Handel, Gastronomie, Dienstleistungen sowie attraktive Aufenthaltsräume und Grünflächen.
Daher gilt es mutige Entscheidungen zu treffen für eine Verkehrsentwicklung, die auf eine gute Erreichbarkeit der Altstadt für alle setzt. Hier ist gerade den schwächsten Verkehrsteilnehmern die höchste Aufmerksamkeit zu widmen wie Zufußgehende, insbesondere Kinder und Mobilitätseingeschränkte. Um Raum für diese Personengruppen zu gewinnen, ist der Individualverkehr zurückzunehmen und an den Eingangsbereichen zur Innenstadt bzw. Altstadt abzufangen, unter anderem mit dem Parkhaus „Goethestraße“, aber auch der Prüfung der fortgesetzten Notwendigkeit des Anwohnerparkens in den engen Altstadtgassen.
Die so frei werdenden Plätze und Straßenzüge sind im Hinblick auf die Aufenthaltsqualität neu zu gestalten. Verkehrsentwicklung ist daher weit mehr als der Bau von Parkhäusern. Ein solches Konzept von peripheren Parkplätzen mit einem fußgängerfreundlichen Straßenraum in der Innenstadtlage ist verbunden mit einem attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Ein Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf den ÖPNV für den letzten Kilometer ist dann interessant, wenn dies kostengünstiger, schneller und bequemer ist als die quälende Suche nach Parkmöglichkeiten in der Innenstadt. Hier kommt dem Citybus eine zentrale Schlüsselrolle zu. Dieser sollte mit ggf. kleinen, wendigen und elektrisch betriebenen Fahrzeugen in einem solchen Parkkonzept integriert und neu ausgerichtet werden.
Dieses Parkraumkonzept könnte durch ein modernes Parkleitsystem ergänzt werden, das den Parksuchverkehr auf ein Minimum reduziert und den Verkehr gezielt in die Parkeinrichtungen leitet. Hierzu wurde von der Stadt Wetzlar das Modellvorhaben VLUID auf den Weg gebracht, durch ein intelligentes Verkehrsleitsystem den Verkehr insbesondere in der Innenstadt zu lenken, den Verkehrsfluss zu verstetigen und Parksuchverkehr gezielt zu den nächstmöglich freien Parkplätzen zu lenken und damit zu reduzieren.
Die Parkeinrichtungen sind dabei zukunftsorientiert umzugestalten, das heißt, mit sicheren Abstellmöglichkeiten für Fahrräder auch über Nacht, Lademöglichkeiten sowie Mobilstationen mit Car-Sharing und E-Bike-/Lastenradverleih und modernen Bezahlsystemen.
Folgende Maßnahmen in der Altstadt könnten einer Neuausrichtung der Mobilität dienen:
Motorisierter Individualverkehr
Parken
Zufußgehende
Radfahren
ÖPNV
Citylogistik